Beitrag Leipziger Volkszeitung 13.10.2021 von Ekkehard Schulreich
Wie zwei Berliner im Kohrener Land ihr Glück finden
Aus der Großstadt ins beschauliche sächsische Linda zu ziehen, um dort einen alten Bauernhof zum Wohn- und Lebensort auszubauen, ist das eine. Familie Mascheck gründete vor fünf Jahren den Verein Kulturgut Linda, der Land und Menschen zusammenbringen soll. Hier versammeln sich inzwischen die Generationen.
Frohburg/Linda. Im Bauerngarten gegenüber des Torhauses blühen in diesen Oktober-Tagen noch Sonnenblumen: Vor Monaten neu angelegt, haben ihn Kinder bepflanzt. Der Garten erweitert den Bauernhof auf der anderen Wegseite hinein in die Kohrener Landschaft. Wo Generationen siedelten, haben Franziska und Marc Mascheck, vor mehr als einem halben Jahrzehnt aus dem lauten Berlin gekommen, ihren Platz gefunden. In Linda wohnen die beiden mit ihren vier Kindern nicht nur. Gemeinsam mit anderen leben sie eine Gemeinschaft, die ausstrahlt durch Film- und Theater-Projekte, Begegnungen. Der vor fünf Jahren gegründete Verein Kulturgut ist ein entscheidender Knoten in einem Netzwerk, das sie, unterstützt durch viele, neu und weiterknüpfen.
Wiesen-Zirkus zum Vereinsgeburtstag
Mehr als 300 Menschen, jüngste, junge, ältere, tummelten sich beim Zirkus-Wiesen-Festival, das so etwas wie eine Geburtstagsparty war. Aus Linda, Jahnshain, Kohren-Sahlis, aber auch aus dem weiteren Umfeld und aus Leipzig kamen sie, um den Umwelt-Zirkus Naumzi zu erleben. Während die Heranwachsenden in Workshops für den gemeinsamen Auftritt probten, hörten die anderen dem Ensemble „Berlin Brass Caravan“ zu, kamen in Gespräche, genossen den sonnigen Nachmittag unter den Kronen der Kirschbäume, die das Chapiteau ersetzten. „Dass so viele Kinder kamen, war total schön zu sehen“, sagt Marc Mascheck: „Wir versuchen jedes Jahr, so ein Fest zu machen.“
In die Dorfgemeinschaft hineinwirken
Ein Fest zum Leben. Etwas Bereicherndes. Bodenständiges. Etwas, das zusammenführt, das Brücken zwischen Menschen, Lebenserfahrungen, auseinanderdriftenden Welten auf unspektakuläre Weise neu baut. Dass Maschecks sich nach dem Kauf des mehrere Jahrhunderte alten Anwesens in Linda sich nicht allein auf das Sanieren konzentrierten – obwohl das Arbeit zuhauf bietet –, sondern zugleich als Netzwerker begannen, resultiert aus beider Selbstverständnis und Anspruch. „Wir möchten leben und arbeiten an einem Ort, möchten in das Gemeinwesen hineinwirken“, sagt Franziska Mascheck. Beider Professionen entsprechen dem: Die 42-Jährige war Tänzerin, ist Tanzpädagogin und studierte inzwischen Soziale Arbeit. Der 40-Jährige arbeitet als Pantomime, Theaterpädagoge, Bildungswissenschaftler. Beide sind freiberuflich tätig.
Vor dem Sanieren stand das Entrümpeln
„Als wir hier begannen, war der Hof zugewachsen. Im Erdgeschoss des Wohnhauses gab es keine Fenster. Zwei Jahre haben wir aufgeräumt, ehe es überhaupt ans Bauen gehen konnte“, blickt Marc Mascheck zurück. Zu sechst begründete man die kleine Hof-Gemeinschaft. Die wuchs inzwischen auf elf Köpfe, darunter sechs Kinder. Christian Bewernitz, Medieninformatiker und Sorfware-Entwickler, zog mit seiner Frau Stefanie Dühring hierher, ebenso Maschecks Mutter Christiane Redemann. Nicht eine Genossenschaft, der Verein Kulturgut bildet den rechtlichen Rahmen für die baulichen und soziokulturellen Aktivitäten.
Film zu Spielen der Großeltern war der Auftakt
Den Einstand gab der Verein mit dem Filmprojekt „Oma, was hast du gespielt?“ Heranwachsende interviewten vor der Kamera Ältere in Linda und den Nachbardörfern. Was folgte, lässt sich nur beispielhaft benennen: Theater-Projekte zur Demokratie-Förderung mit Schulen in Kohren-Sahlis und Großbothen, eine Film- und Theaterproduktion zu „Münchhausen“ mit der Oberschule Frohburg und dem Museum Burg Gnandstein, ein Stummfilm-Projekt mit Jugendlichen aus dem Partner-Landkreis Bodensee. Der Verein war Impulsgeber für die Gründung des Bürgervereins JaLiMeu, der als Preisträger des sächsischen Ideen-Wettbewerbs die alte Jahnshainer Schule für Dorfgemeinschaftszwecke umbauen will. Erst im September initiierte er die Kohrener Tafelrunde mit, holte Vereine zum Austausch an einen Tisch. Um Austausch, internationalen, geht es in der Partnerschaft zwischen Kohren-Sahlis und dem italienischen Montottone; hier soll es 2022 eine Jugendbegegnung geben.
KulturGut setzt auf Partner vor Ort
„Wir möchten verstärkt Vereine als Partner gewinnen, damit in den Dörfern Angebote für Heranwachsende möglich werden“, sagt Franziska Mascheck. Darauf setzte man, da im Landkreis Leipzig klassische mobile Jugendarbeit keine Förderung erfahre. Apropos Förderung: Jegliches, was der Verein anstoße, hänge von ihr ab. Das sorge nicht nur für einen hohen Aufwand, sondern dafür, auf einem so wichtigen Feld nur schwer Kontinuität schaffen zu können. „Dass wir jetzt über das Programm Neunland-Gewinner für zwei Jahre unterstützt werden, gibt uns Rückenwind.“
Franziska Mascheck pendelt jetzt nach Berlin
Der ist umso wichtiger, da Franziska Mascheck ab Ende Oktober einen erheblichen Teil ihrer Zeit in Berlin verbringen wird: Sie zieht für die SPD in den Bundestag ein. Ihre freiberufliche Arbeit wird sie deshalb für vier Jahre unterbrechen, vieles an ihren Mann Marc geben. Die Arbeit in der Hauptstadt betrachtet sie aber mitnichten ein Entfernen von ihrer Basis: „Ich möchte mich einsetzen, dass unser Landkreis, dass das Ländliche insgesamt eine größere Aufmerksamkeit erfährt. Damit setze ich in Berlin fort, für das wir hier im Kohrener Land seit Jahren einstehen.“