Prof. Dr. Matthias Middell greift das Thema ‚Universitäres Wassersportzentrum am Störmthaler See‘ als ein Beispiel in der universitären Nachhaltigkeitsdebatte auf – Eröffnungsveranstaltung des Wissenschaftsfestivals GLOBE22 – #ClimateSolidarities 10. Oktober 2022
„Haben wir das große Ganze im Blick? Sind wir gleichzeitig damit konfrontiert, dass kritische Nachfragen nicht selten sich an einzelnen Vorgängen entzünden. Ich greife einen Einzigen hier heraus, um an diesem Beispiel auf ein darüber hinausreichendes Problem zu verweisen.
Es geht um die Planungsunterlagen, die die Gemeinde Großpösna für die Uferbebauung am Störmthaler See ausgelegt hat und in der auch der Bedarf der Universität an einem neuen Wassersportzentrum berücksichtigt wird. Sehr engagierte Bewohner wehren sich gegen die massiven Beeinträchtigungen, die sich dadurch für ein Biotop ergeben. Ich greife das Beispiel hier auf, weil es vielleicht zeigt, wie komplex manchmal die Lage ist.
Die Universität benötigt für ihre Sportstudiengänge und für den allgemeinen Hochschulsport einen Ort, an dem die Ruder- und Kanuausbildung stattfinden kann. Dieser Ort war bisher am Kulkwitzer See, die Gemeinde Markranstädt hat allerdings leider den Vertrag gekündigt. An dieser Stelle ist es nun aber keineswegs die Universität, die einen alternativen Standort sucht, sondern sie meldet ihren Bedarf an das Ministerium in Dresden, dass zunächst prüft, ob der Bedarf zurecht besteht und im positiven Fall, der hier gegeben ist, den Staatsbetrieb Immobilienbewirtschaftung beauftragt, dem Bedarf entsprechend, eine Lösung zu finden.
Diese Suche trifft sich im Idealfall mit dem Planungsrecht, das bei den Gemeinden liegt und der öffentlichen Beobachtung durch die Bürger*innen unterliegt. In dem hier erwähnten Fall war der Match nicht ideal. Denn die Gemeinde Großpösna plant etwas, was unseren Bedarf nur zum Anlass nimmt, aber weit darüber hinaus geht. Öffentlich entstand allerdings der Eindruck, die Universität würde wertvollen Schilfbestand beseitigen und dem Blaukehlchen das Habitat bestreiten wollen.
Wir haben daraufhin mit Hilfe der Expertise am iDiv, am Zentrum für Biodiversitätsforschung und hier gebührt Prof. Wirth besonderer Dank, der sich auf Fahrrad gesetzt und den Streitort in Augenschein genommen hat, klargestellt, was eigentlich unser Bedarf ist und, dass wir keineswegs die Urheber von Betonträumen sind, die den Protest ausgelöst haben. Im Ergebnis wird nun nach dieser Intervention, eine deutlich umweltverträglichere Lösung für unser Wassersportzentrum gesucht. Ausgang derzeit noch offen, aber von vielen Seiten mit dem festen Willen, für eine gute Koexistenz von Ruderern und Blaukehlchen zusammenzuwirken.
Jene, die nicht mit der lokalen Kommunikation vertraut sind, mag das Beispiel befremden, aber es steht für ein größeres Muster. Umweltbelange mobilisieren viele Zuständigkeiten und Betroffenheiten und es besteht ironisch gesprochen eine gute Chance, dass man sich dabei verheddert. Rechtsweg und Shitstorm sind Instrumente, um Gordische Knoten zu durchschlagen und wo sie notwendig sind, scheinen sie mir auch angemessen.
Davor, und das zeigt das Beispiel ziemlich gut, wäre oder ist es gut, erst einmal zu eruieren, ob es überhaupt gegensätzliche Interessen gibt. Konstruktive Gespräche mit möglichst breiter fachlicher Fundierung und die Suche nach pragmatischem Ausgleich scheinbar unvereinbarer Ausgangslagen sind zumindest in der Wissenschaft vertraute und bewährte Modi des Umganges mit Unterschieden. Und Universitäten können diese Qualitäten vielleicht in besonderer Weise in die Nachhaltigkeitsdebatte einbringen. Und damit sind wir wieder beim größeren Thema …“